Side-Chain – was das ist und was nicht, Teil 3

Side-Chain – was das ist und was nicht, Teil 3

  • 01.10.2013
  • Michael Krusch
  • Artikel
  • Grundlagen
  • Kompression
Die Baugruppen, mit welchen die Audiosignalverstärkung verändert wird, geben den Kompressoren normalerweise ihren Namen.
Man unterscheidet hauptsächlich:

Kompressoren nach dem Vari-Mu-Prinzip (Elektronenröhren)

Diese Kompressoren nutzen die Eigenschaft der Elektronenröhren in Abhängigkeit der Lage des Arbeitspunktes unterschiedliche Verstärkungen aufzuweisen. Hier kommen Trioden zum Einsatz, da bei ihnen die Verstärkung (µ - daher der Name) stärker mit der Aussteuerung variiert als bei den Mehrgitterröhren wie z.B. bei Tetroden oder Pentoden. Aufgrund dieser Eigenschaft ist es möglich, mit Veränderung der Gittervorspannung die Verstärkung der anliegenden Signalwechselspannung zu verändern. Genau dies geschieht in den Vari-µ-Kompressoren. Die erzeugte Steuerspannung verschiebt den Arbeitspunkt zweier Röhren einer Differenzstufe im Gleichtakt, wodurch sich die Differenzverstärkung des an beiden Gittern im Gegentakt anliegenden Audiosignals verändert.
Die Wechselspannungsverstärkung ist damit vom Pegel des eigentlichen Audiosignals abhängig und es wird eine mit der Aussteuerung zunehmende Kompression (variable Ratio) erreicht. Die Gleichtaktspannung wird am Ausgang jedoch nicht wirksam.

Dieses Prinzip findet man in unseren Geräten Vari Tube Compressor – VTC sowie teilweise im Vari Tube Recording Channel – VTRC vor. Ihr Klang ist vor allem durch die angenehmen Verzerrungen der eingesetzten Röhrenstufen gekennzeichnet. Die Kompression kann von drastisch bis weich variieren. Die Ratio ist aussteuerungsabhängig. Der Einsatz der Kompression ist durch einen weichen Übergang gekennzeichnet (soft knee).

Im VTC ist der Einsatzpunkt des Kompressors fest eingestellt und kann durch eine Erhöhung des Eingangspegels langsam überschritten werden. Hier handelt es sich, wie bei seinen klassischen Vorbildern (Fairchild 670) um eine Rückwärtsregelung. Die Sidechain ist mittels moderner Operationsverstärkertechnik realisiert und ermöglicht sowohl sehr kurze als auch lange Integrationszeiten. Bei starker Kompression erklingt auch das für diese Kompressorart typische „Pumpen“. Durch ein in der Sidechain befindliches Hochpassfilter erster Ordnung (Flankensteilheit von -6dB/Oktave) geschieht dies jedoch nicht so schnell, wie bei vergleichbaren Modellen anderer Hersteller.

VTC Insbesondere bei Kompression von Summenmaterial kann der VTC seine Qualitäten ausspielen. Hierzu sind beide sonst unabhängig voneinander arbeitenden Kanäle koppelbar. Der VTC arbeitet auch bei hoher Verdichtung recht unauffällig, er rundet das Klangbild unaufdringlich ab und sorgt aufgrund des angereicherten Obertonspektrums für einen offenen und transparenten Klang.

Im VTRC ist neben dem optischen Kompressor ebenfalls eine Vari-µ-Stufe zu finden. Ihr Threshold ist im Gegensatz zum VTC variabel. Da der VTRC insbesondere für die Aufnahme konzipiert ist, wartet er mit einer Besonderheit auf, die den Toningenieur in seiner Arbeit unterstützt – in der Aufnahmesituation wäre es schließlich fatal, wenn der Kompressor durch falsches Regelverhalten unwiederbringliches Klangmaterial zunichte machen würde. Mit Hilfe der adaptiven Regelung ist das kein Problem mehr. Was ist darunter zu verstehen?

VTRC

Neben schnellen (Fast) und langsamen (Slow) Reaktionszeiten ist die Einstellung Auto wählbar, bei welcher sich das Regelverhalten automatisch an das vorhandene Material anpasst.
Der Kompressor ist dabei in der Lage, schnell auf kurze Impulsspitzen zu reagieren aber dennoch langsame Amplitudenänderungen sanft auszuregeln.

Bei zu langen Regelzeiten könnten Impulsspitzen Übersteuerungen und Verzerrungen des Aufnahmemediums verursachen, da der Kompressor sie nicht mehr erfassen kann. Ferner sind verhältnismäßig laute Schallereignisse Ursache für einen stark einsetzenden Rückgang der Verstärkung, welche sich anschließend nur langsam zurückregelt.
Im Gegensatz dazu geht bei zu kurzen Regelzeiten der Aufnahme schnell die Natürlichkeit und Lebendigkeit verloren.

In dem wir nun das Verhalten zweier Zeitglieder in der Sidechain kombinieren, kommt sowohl der eine als auch der andere Nachteil nicht mehr zum Tragen.

Kompressoren mit optischer Steuerung (Optokoppler)

Der VTRC vereint zwei verschiedene Kompressoren in einem Gerät. Neben der Röhrenstufe, die nach dem Vari-µ-Prinzip arbeitet, ist auch eine optische Baugruppe zur Steuerung der Gesamtverstärkung enthalten. Beide Kompressoren sind zudem kombinierbar.Optische Kompressoren verwenden Bauelemente, die in der Lage sind, Information durch Licht zu übertragen. Diese Bauelemente haben viele Vorteile, wie z.B. Rückwirkungsfreiheit, hohe Isolationsfestigkeit und dadurch galvanische Trennung von Stromkreisen, die auf sehr unterschiedlichem elektrischen Potential liegen können.
Hauptsächlich wird bei der Kompression allerdings eine ganz andere, in vielen technischen Bereichen eher nachteilige, Eigenschaft genutzt: die relativ träge Änderung eines vom Licht bestrahlten Widerstandes.

Der sogenannte Optokoppler besteht im Allgemeinen aus einemLichtsender und einem Lichtempfänger vereint in einem einzigen vergossenen und lichtgeschützten Bauelement. Lichtsender sind zumeist lichtemittierende Halbleiterdioden, die Licht im infraroten bis roten Spektralbereich ausstrahlen. Normalerweise kombiniert man diese Lichtemitter mit Fotodioden oder –transistoren als Empfänger, um möglichst schnelle Schalt- und Reaktionszeiten zu realisieren.

Spezielle Optokoppler verwenden jedoch lichtempfindliche Widerstände, die wesentlich langsamer auf Änderungen der Lichtstärke reagieren.

Koppelt man die Lichtemission an die in der Sidechain aufbereitete Steuerspannung und setzt den Fotowiderstand in den Hauptsignalweg, kann man den Signalpegel durch die variable Strombegrenzung steuern. Dadurch entsteht eine für den Optokompressor typische Klangcharakteristik, die besonders durch ihr allmähliches und verzögertes Regelverhalten besticht.

Kompressoren mit spannungsgesteuertem Verstärker (VCA)

In dieser Kategorie haben wir auch zwei Modelle entwickelt: den Magnetismus2 und den Creme. In beiden verwenden wir spezielle IC’s mit separaten Eingängen zur Steuerung der Verstärkung – spannungsgesteuerte Verstärker. Früher als diskrete Baugruppen entwickelt, sind sie heutzutage in ausgezeichneter Qualität als integrierte Schaltungen verfügbar, deren engtolerierte Parameter sich nur mit sehr hohem Aufwand in herkömmlicher Schaltungstechnik umsetzen und einstellen lassen.

Die Vorwärtsregelung des Magnetismus2 qualifiziert ihn zu einem besonders schnellen und „zupackenden“ Kompressor. Vor allem die sofort einsetzende Kompression ohne weichen Übergang (hard-knee) kennzeichnet seinen Klang.

Threshold und Ratio lassen sich kontinuierlich einstellen und speziell letzterer Parameter hat einen über einen durch Rückwärtsregelung gekennzeichneten Kompressor hinausgehenden Wertebereich. Der separate und frequenziell offene Sidechain-Eingang lässt die Steuerung durch Fremdsignale zu.

Magnetismus2 Mit dem Creme liegt ein weiterer VCA-Kompressor vor, allerdings mit Rückwärtsregelung. Er bietet vier unterschiedliche Kompressionsraten, gestufte Attack- und Releaseregler, ein zuschaltbares zweistufiges Sidechain-Filter und einen kontinuierlich einstellbaren Einsatzpunkt. Am Eingang der ausgefeilten Sidechain-Architektur liegt trotz Rückwärtsregelung das originale Eingangssignal.

Creme

In der Sidechain selbst findet eine Rückwärtsregelung statt, deren Steuer- bzw. Ausgangssignal dem VCA im Hauptsignalweg zugeführt wird. Somit ist eine Threshold-, Gain Makeup- und Ratio-Einstellung außerhalb des direkten Signalweges möglich.
Der Creme verhilft dem Signal zu hoher Kompaktheit und hat einen modernen, frischen Klang mit geringen Verzerrungen, hervorgerufen durch die exakte, logarithmische Regelung des VCAs.

Kompressoren mit Feldeffekttransistoren (FET)

Kompressoren mit Feldeffekttransistoren sind, ähnlich den VCA-Kompressoren, durch Schnelligkeit gekennzeichnet.
Allerdings verursachen die eingesetzten FETs bei entsprechender Beschaltung höhere Verzerrungen, die bei vergleichbarer Schaltungsarchitektur Ähnlichkeit mit von Röhren erzeugten Verzerrungen besitzen.
In der Regel setzt man Sperrschicht-FETs ein, die recht hochohmig angesteuert werden können.
Typische Vertreter dieser Kompressorart sind die UREI 1176 (mono) bzw. 1178 (stereo). Der Klang ist recht eigenständig, hervorgerufen durch den parallel zum Signalweg sitzenden n-Kanal-FET, durch dessen Ansteuerung eine variable Pegeldämpfung möglich wird.
In dem Maße, wie sich seine Leitfähigkeit erhöht, verringert sich der Pegel des Audiosignals und umgekehrt.
Falls du Teil 1 und Teil 2 unseres Side-Chain-Spezials noch nicht gelesen hast, hole es unbedingt nach.
Side-Chain – was das ist und was nicht, Teil 1
Side-Chain – was das ist und was nicht, Teil 2
Side-Chain – was das ist und was nicht, Teil 3
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